Für Deutschsprachige ist Französisch nicht gerade eine einfache Sprache. In der Schule habe ich Französisch gehasst; wahrscheinlich jedoch hauptsächlich weil wir einen so grässlichen Lehrer hatten. Er spuckte beim Reden und liebte es einen anzufassen. Er war kein Muttersprachler und so lernten wir den berndeutschen Akzent wohl gleich mit. Ich habe nie verstanden weshalb es in der mehrsprachigen Schweiz nicht grundsätzlich Fremdsprachen-Lehrer gibt, die ihre Muttersprache unterrichten. Dies erscheint doch so logisch und wäre sicher sehr zum Vorteil der Schüler, die sich jahrelang abmühen mit Übersetzen von gedachtem Deutsch und sich wundern, warum das Ergebnis einfach nicht richtig klingt! Abgesehen davon natürlich, dass das langsam und wenig spontan ist!
Nun, insgesamt hatte ich 7 volle Jahre Französisch-Unterricht, richtig kapiert habe ich es aber erst als ich tagtäglich Französisch parlieren musste: an meinem Arbeitsplatz in der Waadt oder eben dans le canton de Vaud, genauer in Vevey am Genfersee. Immersion nennt man dies, oder auch „ins Wasser schmeissen“. Schocktherapie. Funktioniert!
Heute in Frankreich attestiert man mir un petit accent, einen kleinen Akzent. Wohl eine Mischung von deutschem und waadtländischen Akzent. Offenbar in Kombination undefinierbar. Ich klinge also wie ein Landei, zwar irgendwie französisch, aber etwas … stimmt nicht ganz mit mir. Wenigstens klinge ich nicht wie von Paris, das mögen die Franzosen ausserhalb der Ile de France, dem Grossraum Paris, nicht besonders. Minderwertigkeitskomplex der Mehrheit?
Einige Aspekte der französischen Sprache sind mir aber heute noch ein Rätsel: Da sind zum Beispiel die idiotischen Zahlen 70, 80 und 90! Fast in allen frankophonen Ländern wird normal gezählt, in Frankreich aber soixante-dix, quatre-vingts und quatre-vingt-dix. Also sechzig-zehn, vier-zwanzig und vier-zwanzig-zehn! 75 heisst dementsprechend soixante-quinze (sechzig-fünfzehn), 98 heisst quatre-vingt-dix-huit (vier-zwanzig-achtzehn)! Bis ich damit fertig bin ist mein Gesprächspartner längst weg! Ich habe jedes Mal eine Redehemmung und muss mich sehr konzentrieren. Bis genau heute machte ich das nun mit. Nun ist aber Schluss!
Heute nämlich bin ich auf der Suche nach einer Erklärung obiger Problematik auf eine interessante Internet-Seite gestossen. Da wird erklärt woher diese seltsame Zählweise kommt: Französisch hat sich aus dem Vulgärlatein entwickelt und die Römer hatten das Dezimalsystem beim Zählen; sie zählten also ganz „normal“ siebzig, achtzig und neunzig. Die Gallier jedoch hatten ein auf die Zahl 20 basierendes Zählsystem und nutzten dieses auch inoffiziell und in der neuen Sprache weiter. Seltsamerweise setzte sich diese Art zu zählen auf einmal im Mittelalter durch, aber nur in Frankreich. Möglicherweise hat dies einen Zusammenhang mit der Ankunft der Normannen*. Andere französischsprachige Länder behielten die ursprüngliche Zählart bei.
Jetzt kommt aber das Beste: Die nette Sachverständige erklärt nämlich weiter, man dürfe die „alte“ Zählweise immer und überall, auch in Frankreich verwenden, denn es sei offiziell absolut korrektes Französisch. Juhuu! Ab sofort gibt es also vor siebzig, achtzig und neunzig bei mir keine kleine Denkpause mehr, weil ich erst mich erinnern und überwinden muss, diese idiotischen Zahlen (posthum ein Sorry an die Kelten und damit die Gallier) über die Lippen zu bringen. Es erklingen ab sofort einfach septante, huitante und nonante. Ob dies die Franzosen nun gutheissen oder nicht, ça m’est complètement égal! Oder gerne auf deutsch: dass isst mierr complètement gleisch!
*Die Erklärungen sind von mir stark verkürzt worden und können keineswegs als historisch-wissenschaftlichen Text interpretiert werden.
Ich erinnere mich – französische zahlen waren mir auch immer ein Graus!
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Ohje, dass mit den französischen Zahlen war wirklich zäh, nur die schwäbischen Uhrzeiten einem Lehrer aus dem Ruhrgebiet zu erklären war noch schwieriger.
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Ohje, dass mit den französischen Zahlen war wirklich sehr zäh, nur die schwäbischen Uhrzeiten einem Lehrer aus dem Ruhrgebiet zu erklären war noch zäher.
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Was ist denn so besonders mit den schwäbischen Uhrzeiten?
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Dass man nicht Viertel nach zwei sagt, sondern Viertel drei, Viertel vor drei ist dann dreiviertel drei.
Die Ostdeutschen kennen das auch so, aber die Norddeutschen nicht.
Wäre jetzt noch die Frage, wie das die Schweizer machen.
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Wir sagen Viertel nach zwei und Viertel vor drei. 2.25h ist bei uns fünf vor halb drei, 2.35h fünf über halb drei. 2.20h und 2.40h ist zwanzig nach zwei und 20 vor drei. Wir benutzen die ‚digitalen Angaben wie z.B. zwei oder vierzehn Uhr vierzig nie. Auch am Nachmittag und Abends bleibt es bei den Zahlen 1 bis 12 und beginnt um 13.00h neu bei eins. Also alles ganz einfach!
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Würd ich auch so benutzen, nur fünf über halb drei wäre bei mir fünf nach halb drei und die digitalen Angaben nütz ich auch, bevor ich wieder mal meine norddeutsche Freundin verwirre.
Jetzt bin ich gespannt, ob die Technik wieder spinnt wie gestern, deshalb der doppelte anonyme Kommentar, sorry.
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Aha, habe mich gewundert gestern. Aber jetzt ist alles klar und die vermaledeite Technik hat sichtlich auch gespurt 😉
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Ich bedanke mich sehr für die Erklärung mit den Zahlen. Seit Februar lerne ich Französisch, und das mit den Zahlen kommt mir extrem umständlich vor. Darf ich zu den Uhrzeiten auf Südtirolerisch etwas hinzufügen? Viertel nach, heißt es bei uns, und dann zehn vor halb – oder zwanzig nach, je nachdem, ob man es später oder früher klingen lässt. Ab ins Bett, es ist schon zehn vor halb zehn! = eher spät. Es ist zwanzig nach neun = erst kurz nach neun, geht also noch. Dann wird es entsprechend zehn nach halb zehn oder zwanzig vor zehn. Und dreiviertel zehn und so weiter.
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