Zurück bleiben nur die Originale

Das fast stets miese Wetter diesen Winter hat dazu geführt, dass viele hier im Hafen das Handtuch geworfen haben und geflüchtet sind. Nach und nach verlieren wir unsere (menschlichen) Nachbarn, zurück bleiben nur die Boote, ein paar Unverbesserliche, ein paar Originale und wir. Wobei man uns wohl zu einer der zwei vorherigen Kategorien fügen kann. Bin mir nicht ganz sicher, zu welcher.

Wir haben eine geschlossene Facebook-Gruppe des Hafens und dort werden wir von diesen „Zugvögeln“ bombardiert mit tollen Bildern am Strand, Barbecues unter freiem Himmel, schönen Mittelmeer-Städtchen, tropischen Inseln oder exotischen Ländern. Ja sind wir denn blöd, hier auszuharren?  Ein Winter in einem halbverlassenen Küstenort im Süden Europas mit fast ausschliesslich pensionierten Kälteflüchtlingen wäre allerdings jetzt auch nicht grad mein Traumziel. Jetzt sind wir doch schon Ende Februar und ich bin überzeugt, wenn wir heute das Boot noch schnell frostsicher machen würden um für ein paar Wochen abzudüsen, bräche umgehend der Frühling an hier und wir könnten tatsächlich früh weg um die letzten Arbeiten am Boot vornehmen zu lassen um dann zügig in eine lange Cruising-Saison starten zu können. Aberglaube hin oder her, wir haben entschieden zuzuwarten. Auf nächsten Winter können wir immer noch etwas Besonderes planen, vielleicht mal ein richtiger Winter in Schweden? Gefahr besteht allerdings, dass es hier dann einen tollen, milden Winter gibt mit vielen Sonnentagen. Was solls.

Von anfänglich etwa 20 Personen sind wir noch rund die Hälfte. An unserem Steg D (nur C und D sind wintersicher) sind wir jetzt noch 4½ Boote, die bewohnt sind.  Das halbe Boot deshalb, weil der Eigner, Typ alter Seebär, auch noch eine Wohnung hat und sich die Zeit zwischen den beiden Orten aufteilt. Wir kennen ihn nur vom sehen. Er zählt also nur halb.

Ausser uns ist noch ein französisches Paar hier, das seit 18 Jahren sein Boot um- und fertigbaut (!). Ich finde sie beide sehr sympathisch; wir laden uns gegenseitig ein  und verbringen sehr lustige Stunden miteinander. Die Abende, die wir zusammen verbringen sind stets sehr kurzweilig und inzwischen kennen wir uns schon recht gut. Sie wollen dieses Jahr bis über Berlin hinaus fahren. Ich bin schon heute gespannt auf die Berichte. Die Fertigstellung des Bootes ist wohl ein ewiges (Kampf)Thema der beiden. Ich würde da mal Gas geben und alles fertig stellen. In einer ewigen Baustelle zu wohnen, wäre nichts für mich! Aber jedem sein Ding; ist ein freies Land hier.

Weiter haben wir ein in Scheidung lebender Familienvater mit komplizierter Geschichte; bin nicht sicher ob ich alle Details begriffen habe. Er ist noch gar nicht so alt für vier Kinder und wirkt ziemlich desillusioniert und müde. Das Leben auf dem Boot ist wahrscheinlich die günstigste Lösung für ein plötzlich sehr verteuertes Leben. Er arbeitet viel in einem Lehramt und hat auch die Kinder ab und zu. Meist pendelt er aber hin und her zwischen seinem Wohnort, dem Wohnort der Kinder, wo er sie zur Schule bringt oder abholt, und seinem Arbeitsort, in einer dritten Stadt. Ich wäre da auch müde. Aber echt!

Schliesslich ist da noch einer und der ist ein echtes Original. Der wohnt alleine mit seinem Hund auf seinem ziemlich kleinen und deswegen auch ziemlich vollgestopften Boot; alle drei gehen unter demselben Namen, den ich hier jetzt nicht nennen will.  Einfachheitshalber, wie er meint. Nennen wir sie alle drei Harry. Ich bin immer davon überzeugt gewesen, dass Boote eigentlich weiblich sind. Harry für ein Boot hört sich für mich irgendwie seltsam an. Ausserdem ist der Hund auch eine sie, und das ist noch merkwürdiger. Sie, die Harry? Komisch. Immerhin ist der Bootsbesitzer eindeutig männlich. Wir haben ihm vor Wochen eine Flasche Wein zum Geburtstag geschenkt. Dass es sein Geburtstag war, hatte er uns glücklich wie ein kleiner Junge erzählt. In der Folge kamen wir 10 Tage lang in Genuss von Gerichten, die er für Vier gekocht hatte: Für sich und seinen Hund, und für uns. Als Dank für den Wein! Er ist ein guter Koch, aber das war uns dann mit der Zeit dann doch fast ein wenig peinlich. Noch heute bringt er uns ab und an zu essen; und wir sehen ganz bestimmt nicht ausgehungert aus!

Eine seltsame Gemeinschaft also hier auf unserem Ponton D. Menschen die wir, wären wir „zu Hause“ geblieben, nie und nimmer kennen gelernt hätten. Natürlich gibt es sie überall, nur kommt man einfach gar nicht in Kontakt. Hier hingegen ist es so eine kleine Welt, wie eine Insel! Ich finde das toll und Horizont erweiternd. Es ist ja nicht für immer. Es gehört aber einfach dazu, wenn man seine Komfortzone verlässt von Allerlei herausgefordert zu werden und sei es bloss durch die Nachbarschaft einiger Originale oder die eigene, langsame Verwandlung hin zu Sonderlingen. Hoffentlich netten Sonderlingen!

 

 

 

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