Ich wage jetzt mal etwas Kritik
Ich liebe französischen Käse! Es soll 400 Sorten geben in diesem Land. Vielleicht sind es ja auch nur 300, aber auch 300 ist eine respektable Zahl. Jetzt, da ich in diesem Land lebe, frage ich mich wo all diese Käsesorten verkauft werden (ich rede jetzt hier nicht von Industriekäse). Bislang habe ich nur einen Bruchteil davon in den Supermärkten entdeckt, dazu noch meistens dieselben in jedem Laden. Richtige Käsegeschäfte findet man leider auch nicht in jedem Ort. Was fast komplett fehlt sind Hart – oder Halbhartkäse. Da werden zwar Holländische (die mit der roten oder orangen Wachshaut, sehr originell!) angeboten und auch Schweizer Käsesorten produits en France, aber ausser zwei, drei französische Sorten plus den Comté*, der wahrscheinlich von Immigranten aus dem Greyerz* mitgebracht wurde, ist kaum etwas zu finden. Das alles finde ich etwas enttäuschend, aber noch viel enttäuschender finde ich die Käsetheken, an denen Personal steht, gekleidet wie Käser direkt von einer Alpweide, das null Ahnung hat von den Käsesorten, die in der Vitrine angeboten werden. So délicieux das Angebot ist, ich habe etwas mehr erwartet, pardon les français, je suis un peu déçue.
Das Weinangebot
Kommen wir zu den Weinen. Da gibt es tausende in Frankreich und ich verstehe absolut, dass in den Weinabteilungen oder auch beim Weinhändler vor allem einheimischer Wein angeboten wird. Was sage ich „vor allem“? Fast ausschliesslich einheimischer Wein! Mal zur Abwechslung ein Italiener oder Spanier gefällig? Da wird es schwierig. Lambrusco vielleicht, oder ein Allerwelts-Chianti, im Stil der Weine die wir als 17-Jährige hinter die Binde gekippt haben. Echt jetzt, hier wird Protektionismus in Reinkultur betrieben. Nicht mal die anderen EU-Weinerzeuger haben ihr bescheidenes Plätzchen und da hätte es doch einiges, das dem französischen Erzeugnis die Stange halten würde. Der französische Durchschnitts-Wein, ist, pardonnez-moi, oft in bescheidener Qualität. Da die Franzosen nichts anderes trinken, merken sie es offenbar gar nicht. Frankreich scheint aber irgendwie auch an einem Mangel an Selbstbewusstsein zu leiden. Weshalb sonst hätte es vor Jahren mit Hilfe der EU der kleinen Schweizer Gemeinde Champagne (1000 Einwohner) verbieten lassen, deren Wein unter dem Dorfnamen zu verkaufen? Man stelle sich vor: die gigantische Produktion aus der französischen Champagne fühlte sich von den paar Winzern und deren Weisswein von Champagne CH bedroht! Sogar der lokale Bäckereibetrieb, der sehr leckere und bekannte Flûtes de Champagne (eine Art Grissini) herstellt, bekam Schwierigkeiten. Incroyable, non? Als Wiedergutmachung hätte ich jetzt gerne eine kleine, solide Auswahl an Weinen aus der ganzen Welt; vielleicht wäre das ja sogar inspirierend für die Franzosen?
Bin heute gerade nicht nett!
Ich bin mir bewusst, dass ich mich jetzt nicht gerade freundlich gegenüber unseren Gastgebern hier benehme. Es ist absolut in Ordnung wenn ein Land stolz auf seine Erzeugnisse ist und diese pflegt. Hier in Frankreich ist aber eine gewisse Blindheit gegenüber dem Rest der Welt feststellbar und das ist nicht gesund. Hier heisst es sofort
- die französische Küche ist die Beste aller Küchen
- die französischen Weine sind Weltspitze
- die Franzosen sind Weltmeister in der Käseherstellung
Ich möchte das jetzt nicht aufrechnen gegen andere Nationen, aber sind wir ehrlich: Andere Mütter haben auch schöne Söhne!
Nun aber etwas sehr Erfreuliches
Bald können wir wieder auf den Wochenmärkten einkaufen. In Auxonne gibt es auch einen, aber hier haben Kleider-, Pfannen- und Krimskrams-Händler den Markt quasi übernommen. Die übliche riesige Auswahl an Gemüse, Früchte, Käse- und Fleischständen, Olivenspezialisten und und und, ist hier leider nicht vorhanden. In anderen Städten und Städtchen ist das völlig anders. Da kann man sich zu 100% für die Woche versorgen und dies erst noch bei vielen lokalen Anbietern. Darauf freue ich mich sehr. Das Schlendern von Marktstand zu Marktstand, der kleine Schwatz mit dem Händler oder sogar dem Produzenten selber, die Marktstimmung, die Menschen, Gerüche und Aromen. Mmmmhhh! Am Ende noch den café au lait mit einem croissant au chocolat oder – am späteren Vormittag – einen kleinen Ricard. Ah, das savoir-vivre, santé!
*Der französische Hartkäse Comté: Tatsächlich mussten im 19. Jahrhundert viele Freiburger, unter anderem aus dem Gruyère, aus der Schweiz auswandern. Der Kanton Freiburg war extrem arm damals. Früher wurden viele Burschen Söldner in Frankreich, das war aber mit der französischen Revolution mehr oder weniger vorbei. Es waren also meist die jüngeren Söhne eines Hofes, die sich etwas einfallen lassen mussten. Viele wussten etwas über die Käseherstellung. Mit diesen Kenntnissen über den Jura nach Frankreich zu gehen war die nächstmögliche Lösung um der Armut zu entgehen. Und sie wurde rege genutzt.