Die Wintermonate an Bord zu verbringen ist etwas Spezielles, und jedes Jahr ist anders.
Egal, ob man diese Monate stets am selben Ort verbringt oder jedes Jahr den Ort wechselt. Denn im Gegensatz zu einem festen Wohnsitz wechseln die Variabeln ständig; der Liegeplatz ist vielleicht nicht derselbe, die Nachbarn sowieso, und die äusseren Bedingungen, insbesondere das Wetter spielt eine grosse Rolle, wenn man auf einem Boot wohnt.
Wir sind nun im sechsten Winter an Bord und am 5. verschiedenen Winterplatz. Nach Auxonne im Burgund, verbrachten wir den zweiten Winter in Pont-de-Vaux, dann wieder -nicht wirklich so geplant – in Auxonne, das Jahr danach, ebenfalls ungeplant, in Chaumont am Champagne-Burgundkanal, dann im 2020-21 in Sillery, was wiederum ein Planungswechsel war, und schliesslich derzeit in Saverne. Hierhin wollten wir schon zweimal, Ende 2022 hat es dann auch schliesslich geklappt. Die Winterorte kennen wir meistens nicht zum Voraus, bloss den Namen, die Infos die wir über Radio Canal, die Führer, Internet und Google Maps kriegen. Radio Canal, dazu gehören informelle Informationen über Bekannte, Pontongespräche sozusagen, und was so auf den Chats und Kommunikationskanälen herum geboten wird. Da ist genaueres Hingucken absolut ratsam, denn das System hat die Qualität eines Flüstertelefons!
Wir sind bloss wenige, die hier den Winter fest auf dem Boot verbringen; eine kleine Gemeinschaft von 4 Nationen, und nein, ausnahmsweise keine Englischsprachigen! Dafür können wir unser Italienisch aufpolieren, und das wurde auch Zeit. Stets falle ich ins Französische zurück, benutze Formulierungen, die nach Fritaliano klingen oder erfinde Worte, die es so im Italienischen gar nicht gibt. Ich höre mir selbst zu und kann es kaum glauben. Höchste Zeit, wieder etwas zu üben.
Seit Jahren reden wir bloss unter uns Schweizerdeutsch, von gelegentlichem Antreffen von Landesgenossen mal abgesehen. Es ist fast zu einer Geheimsprache geworden, denn wir sind meistens ziemlich sicher, von sonst gar niemandem verstanden zu werden. Der Zufall will es, dass wir hier gleich drei Boote sind mit Schweizer Besatzung; jeden Tag Schwiizertüütsch zu hören befremdet uns fast ein wenig, wir sind es einfach nicht mehr gewohnt.
Trotz der sprachlichen Vielfalt hat sich mittlerweile ein kleine Gemeinschaft herangebildet. Die Truppe begegnet sich, gerade in dieser Zeit, zu speziellen Gelegenheiten, Französisch ist dabei die Hauptsprache, und die, welche alle mehr oder weniger gut verstehen und sprechen. Kommunikation geht ganz gut, auch ohne perfekte Sprachkenntnisse! Auch die Franzosen hier sind offen und ein Schwatz hier oder dort ist immer möglich. Gerade die uns, durch die Absenkung des Wasserspiegels, entstandenen Probleme schweissen uns irgendwie zusammen. Dazu kommt, dass wir den Winter über einen einzigen, frostsicheren Wasseranschluss haben. Je nach dem wie weit ein Boot davon entfernt liegt, müssen wir mehrere Schlauchlängen zusammenkoppeln. Jedes mal wenn jemand tanken muss, wird kurz abgeklärt, wer auch noch Wasser bunkern möchte. Dann teile wir uns den Aufwand, damit auch die am weitesten entfernten Boote problemlos den Tank füllen können. Die nachbarschaftliche Hilfe funktioniert über nationale und sprachliche Grenzen hinweg super. Wir finden dies absolut nicht selbstverständlich und sind froh um diese vorbildliche Kooperation.
Am Rand von unserer Truppe, und ebenfalls noch im Hafen gelegen, liegt ein besonderes Boot: das Fischrestaurant El Ceviche. Wenn jemand gerne Fisch hat – zum Beispiel wir – dann ist dieses Restaurant ein Geschenk. In bloss 2 Minuten bereits an einem schön gedeckten Tisch zu sitzen und sich auf gepflegte Fisch-und Meeresfruchtgerichte freuen zu können ist ein rarer Luxus!
Bloss ein paar Schritte weiter Richtung Stadt steht jeweils Samstags der schwarze Foodtruck Onuma-ya, der Donburis anbietet. Wir lieben diese frisch zubereiteten Spezialitäten und traben jeweils Samstags brav an, um unsere telefonisch vorbestellten Leckereien abzuholen. Es bedingt dann zwar immer noch eine gewisse Wartezeit, weil alles frisch zubereitet wird, man geniesst jedoch eine gewisse Priorität und für den Koch ist es mit Vorbestellungen natürlich viel einfacher, gut vorausplanen zu können. Es stehen manchmal auch Japaner an, das ist stets ein gutes Zeichen!
Uns geht es hier einfach gut, auch wenn das Wetter zu wünschen übrig lässt und das Boot ab und an Macken macht (=normal!). Ausserdem ist die Absenkung des Kanals von über einem Meter, alles andere als ideal und ich mag den für Mensch und Hund komplizierten Ausstieg überhaupt nicht. Trotzdem erfreuen wir uns an den vielen positiven Dingen, die Negativen winken wir durch und vergessen sie. Auf diese Art ist das Glas stets voll, und sollten wir mal das Gefühl haben, es sei doch nur halbvoll, dann ist der Rest ja Luft, und Luft ist nicht nichts*!
*ist nicht von mir, sondern gestohlen
Wie immer habe ich den Bericht gerne gelesen und wünsche euch, dass der Wasserspiegel sich bald normalisiert. Geniesst derweilen „les petites gourmandises“
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Ihr Lieben, ich freue mich so zu lesen, dass es euch gut geht und ihr Saverne genießt….anscheinend ist das Heizungsproblem ja gelöst (jedenfalls kommt in deinem Beitrag kein einziges Mal das Wort „frieren“ vor ) und es hört sich auch nicht so an, als ob ihr einsam seid! Wie schön….Ich wäre auch gerne dort, aber nicht auf unserer „Plastikschüssel“ – wenn ich die Fotos sehe und mir vorstelle, wir wären auf der „Tortue“, dann brauche ich gleich ne Wärmflasche… Haltet die Fahne weiterhin hoch; wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen im Frühjahr…
Alles Liebe für euch drei und Grüße ans Städtchen!
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