Wir sind an unserem Winterplatz angelangt, und damit in dem Teil des Jahres, in dem wir ein fast normales, sesshaftes Leben führen! Der Alltag nahm mich dieses Jahr ziemlich brüsk gefangen: Als allererstes warteten auf mich zwei Briefe, in denen ich höflich dazu aufgefordert wurde, zu bestätigen noch am Leben zu sein.
Das fühlt sich jetzt doch ein wenig seltsam an!
Um den konstanten Fluss von Rentengeldern nicht zu gefärden, müssen wir diese offiziellen Lebenszeichen in regelmässigen Abständen einreichen. Ben oui, man könnte ja auch tricksen, respektive ich dann nicht mehr, aber meine Erben, haha. Trotzdem, der Weg auf die Mairie fühlt sich jedes Mal einfach komisch an. „Hallo, ich komme hierher, damit Sie mir bestätigen, noch am Leben zu sein.“
Der Beamte der Mairie von Sillery war sehr nett, aber ein wenig gestresst. Er hat sich jedoch schnell beruhigt, als er feststellte, dass meine Fragebögen in Französisch abgefasst waren. Offenbar erhält er auch ab und an Papiere in dieser Art in Fremdsprachen vorgelegt und da jedes dieser Papiere ein wenig anders aussieht, kann das schon etwas nervig sein. Da hat er mein vollstes Verständnis.
Gut, das ist schon mal für die nächste Zeit erledigt. Ich bin jetzt ganz offiziell noch am Leben. Cool.
Die Zustellung der Post machte uns im Voraus etwas Sorgen, aber auch dies hat sich geklärt. Da die Capitainerie, das Büro der Marina hier, den Winter über nicht besetzt ist, sollte die Post jedem einzelnen Boot direkt übergeben werden und wir machten uns Gedanken darüber, ob dies dann auch klappen wird. Bislang hatten wir die Angestellten der französischen Poste jedoch als sehr gewissenhaft und freundlich erlebt. Da wir keinen Briefkasten haben, bastelten wir aus einer Einkaufstasche eine improvisierte und wasserdichte Ablage. Diese Tasche hängt nun an der Reling gleich neben der Eingangstüre. Die factrice, die Briefträgerin, hat sie als super idée qualifiziert. Sie weiss jetzt wo unser Boot ist, wir liegen nämlich etwas hinter einer Hecke versteckt. Sollte mal einer ihrer Kollegen Post zustellen müssen und uns nicht finden, so teilte sie uns fröhlich mit, hätten sie ja unsere Telefonnummer. Na, die sind aber gut organisiert!
So fügt sich eines ums andere zu einem richtigen, wenn auch temporärem Heim zusammen. Es sind nicht wenige, die hier den Winter auf einem Boot verbringen. Unsere Nachbarn sind alles Franzosen und sehr diskret. Viel Ramba Zamba scheinen sie nicht miteinander zu veranstalten, aber das ist ok so. Wir haben sehr gerne Kontakt, aber das muss sich halt einfach so ergeben, und wenn nicht, dann ist das halt so. Mal sehen wie sich das entwickelt.
Unser Hafen liegt an einem kleinen Park und der wird rege von den Anwohnern genutzt. Tagsüber ist hier eigentlich fast immer viel los mit Spaziergängern, Radfahrern und Menschen, die auf den Parkbänken sitzend einfach ein paar Sonnenstrahlen geniessen. Fischer hat es auch, wo denn nicht in Frankreich!? Zwei davon haben ihren Stammplatz gleich hinter dem Boot. Zu Beginn dachten wir, sie seien sauer, weil wir 2 Meter neben ihnen angelegt hatten. Nicht unser Fehler, wenn sie unmmittelbar neben dem Hafenbereich fischen wollen. Im Hafengelände ist das Fischen verboten. Finde ich gut, denn ein in einer Leine feststeckenden Angelhaken zu übersehen, ist schmerzhaft. Bin ein gebranntes Kind. Nachdem wir insistiert hatten, die Beiden, die bei jedem Wetter stumm dasitzen, jedesmal beim Vorbeigehen freundlich mit Bonjour M’ssieurs zu grüssen, erwiedern sie mittlerweile den Gruss und gucken uns sogar an. Bald können wir wahrscheinlich beginnen, übers Wetter zu reden. Bis Anfang Frühjahr werden wir es sicher noch weit bringen!
An Bord sind wir wieder fest angeschlossen, auch da die neue alte Normalität. Wir haben genügend Strom um nach herzenslust zu kochen, backen, waschen, trocknen, Staub saugen, einfach vielleicht nicht gerade alles zur selben Zeit, aber das sind wir gewohnt. Dazu funktioniert die neue Heizung gut, wir haben es warm und cosy. So lässt sich ein Winter gut überdauern!