Na ja, Pläne ist eigentlich zu hoch gegriffen. Ich sage es anders: wir haben uns entschieden. Entschieden, den alten Plan über Bord zu werfen und eben nicht bis ins Elsass zu fahren.
Wir haben uns sehr schwer getan damit; seit Jahren hatten wir dieses Ziel, aber irgendwie soll es einfach nicht sein. Beim ersten Versuch kam uns eine nötige Operation und zu wenig Wasser im Vogesenkanal in die Quere, letztes Jahr Wasserknappheit und Corona, und jetzt erschwerte Fahrbedingungen im Rhein-Marne-Kanal. Den letzten Schubser zum Umdenken gaben uns die Erfahrungen von Bootlern, die vor einigen Tagen in diesen Kanal eingefahren sind und uns ihre Erfahrungen mitteilten. Wenn Fahren kein Vergnügen mehr ist, sondern zur harten Arbeit wird, wenn wir damit rechnen müssen, jeweils lange Tage unterwegs zu sein, bloss um unbedingt in einen Hafen zu gelangen, weil man, wegen den wuchernden Algen und anderen Wasserpflanzen, nirgends sonst frei anlegen kann, dann geht das mit zwei in der Hitze hechelnden Hunden an Bord halt nicht.
Der Entscheid ist nun getroffen, wir fahren Richtung Westen; Champagne, wir kommen! Er ist gut und richtig, wir sind wieder überzeugt dabei und voller Vorfreude!
Wir verbrachten zwar sehr heisse, aber wunderschöne Tage in Vitry-le-François, ein absolut besuchenswerter Ort mit kleinstädtischen Flair, vielen Gaststätten und Läden und einigen beeindruckend grossstädtischen Bauten, einem winzigen Hafen und tollen, offenen Menschen. Nach den langen, einsamen Monaten im Champagne-Burgund-Kanal genossen wir es, ausgiebig Kontakt zu anderen Leuten zu haben, an Bord zu sitzen, zu reden und lachen, mit einem schönen Glas Wein oder einem kühlen Bier gemeinsam den Moment zu geniessen, oder auch einfach mit den vielen vorbeikommenden Spaziergängern zu plaudern. Ah, das tat gut.
Der Hafen von Vitry-le-François
Für ein Problem ums Andere fanden wir Lösungen: Das Kühlwasserproblem liess sich buchstäblich durch Pressluft aus dem Luftansaugstutzen hinaus pusten. Unglaublich aber wahr: winzige Muscheln hatten sich in der langen Liegezeit in Chaumont eingenistet und sich über die Monate entwickelt. Sie verstopften zusammen mit den im Kanal schwebenden Algenteilchen die Kühlwasserleitung. Drei der gelösten Muscheln fanden sich im Anschluss im Wasserfilter. So grosse Muscheln können unmöglich durch das Sieb am Schiffsbauch eingedrungen sein, sie müssen sich im Rohr entwickelt haben.
Merry geht es wunderbar, sie hat die Operation sehr gut überstanden. Allerdings war der Laborbefund nicht gerade was wir uns gewünscht hätten: Sie hat einen subkutanen Hautkrebs, immerhin mit guten Prognosen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er Metastasen bildet oder wiederkehrt ist relativ gering; eine regelmässige Kontrolle ist jedoch angezeigt. Inzwischen ist auch ihr lang erwartetes, super teures Spezialfutter gegen ihren Juckreiz eingetroffen und sie liebt es!
Bei Januzs, unserem unruhigen und unkonzentrierten Hundemann wurde ein Magnesiummangel entdeckt. Er kriegt nun damit angereicherte Goodies und ist wie ausgewechselt! Er fährt jetzt auch wieder gerne Boot und seine Halbblindheit und Halbtaubheit stören ihn überhaupt nicht mehr. Wir haben unseren liebenswürdigen (immer noch tolpatschigen) happy dog zurück!
Soweit, so gut. Gestern Vormittag haben wir Vitry auf Wiedersehen gesagt und nach einem Kilometer bogen wir links ab in den Canal latéral à la Marne. Wir kamen wunderbar voran, wollten aber nicht übertreiben – wir sind ja inzwischen für unsere Langsamkeit bekannt – und nach rund 10 Kilometern und drei Schleusen (2,5 Stunden Fahrzeit) kam eine Verbreiterung des Kanals in Sicht mit einem wunderbaren, baumbestandenen Anlegeplatz. Die erste Nacht verbrachten wir am Rand eines Dorfes. Kaum angelegt, überraschte uns ein Freund vom Hafen Vitry mit einem an Bord gebrachten Mittagessen! Später kamen zwei Jungen auf ihren Rädern vorbei, wir plauderten nett, und dann fragten sie schüchtern, ob sie sich das Boot anschauen dürften. Ja klar. Wir machten eine kindgerechte Führung, erklärten was ein Ponton (Schwimmsteg) ist und weshalb es solche braucht, und – da war ich einen Moment völlig baff – zeigten bis ins Detail, wie unsere eingebaute Küche funktioniert. Tatsächlich fragte uns der eine Junge – mitten in der Küche stehend – wo wir kochen. Er hatte offensichtlich noch nie eingebaute Küchengeräte gesehen, geschweige den ein in einem Schrank versteckten (O-ton) Kühlschrank. Das zeigt wieder mal, wie selbstverständlich wir Errungenschaften wie zum Beispiel eine Einbauküche nehmen! Asche auf mein Haupt. Der etwa 9-jährige Junge erteilte mir eine Lektion.
Canal latéral à la Marne
Nun freuen wir uns wirklich auf die Champagne, eine Region, die wir vor Jahrzehnten mal besucht hatten, aber natürlich nicht via Wasserweg. Noch ein paar Tage, und die ersten Vignobles, Weingärten, dieser weltbekannten Region sollten dem Kanal entlang auftauchen! Freue mich auf’s erste Glas Champagner, der da getrunken werden wird, wo die Reben, von denen er stammt, gleich nebenan wachsen!
Bonsoir,
schön wieder von Euch zu lesen und schön die Freude über’s Fahren und Bekanntschaften zu spüren. Umso trauriger sind Sabine und ich, dass ihr nicht ins Elsass kommt. Wir waren voller Hoffnung auf ein Wiedersehen. Aber bei all den Meldungen ist das mit der Champagne wohl die richtige Entscheidung. Aber ein bisserl schade ist es trotzdem. So! Musste ich loswerden (lach). Alles Gute Ihr Lieben und weiterhin gute Fahrt. Peter und Sabine
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Ja, liebe Peter und Sabine, das tut uns auch leid, euch nun nicht zu treffen! Aber so schnell geben wir nicht auf, irgendwie kommen wir dann schon noch in den Osten! Vielleicht schaffen wir es ja im 2022 über den Ardennen-Kanal, was weiss ich 😁 Euch eine schöne Saison mit viel sauberem Wasser unter dem Kiel, liebe Grüsse!
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So viele kleine schöne Begebenheiten! Dass sich Magnesiummangel so auswirken kann, war mir nicht klar.
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Uns war das auch nicht klar, wir dachten schon, er werde senil 🐶, wieder etwas gelernt!
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Bin so froh, dass Ihr die Veränderung so leicht beheben konntet! Weiterhin viele tolle Erlebnisse 😎😎
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Wir auch. An einen Mineralstoffmangel hatten wir nie gedacht und auch kein Tierarzt! Sind ganz happy.
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Wie spannend, euer Leben auf den Schiffahrtswegen. Es klingt sehr nachvollziehbar, und sollte von Wasserwegen auf Lebenswege übertragen werden: die Entscheidung gegen etwas, das nicht funktioniert, statt zu beharren, und ohne Reue ein anderes, tolles Ziel anstreben. Viel Freude in der Champagne! Santè! 🥂
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Danke dir! Loslassen ist eben schwierig, aber wenn man es dann mal schafft, ist man Tonnen leichter 👍👍👍
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