Jetzt, wo alles an Bord wieder funktioniert, wir wieder die totale Freiheit haben, zu kochen, backen, waschen, putzen und föhnen wann und wo wir wollen, die Sonne scheint, die Vögel pfeifen und das Gras schon wieder knallgrün ist, fängt es an.
Das grosse Kribbeln.
Bis 17° sind gemeldet. Die nächtlichen Temperaturen bleiben über Null Grad. Vorläufig jedenfalls und jetzt, wo wir nicht mehr in Gefahr sind zu erfrieren oder wegen gesprungenen Rohren unter zu gehen. Klar ist der Winter noch nicht vorbei. Aber die Haselsträucher und die Zaubernuss blühen schon. Auf dem Grasweg entlang des Kanals, da wo ein Dutzend Häuser entlang des Wassers aufgereiht stehen, hat es bereits Schnittlauch im Gras. Schon letztes Jahr war das meine Schnittlauch-Versorgung. Da es dort, zwischen zwei Schleusen nur Wiese und keinen eigentlichen Weg gibt, sind selten Fussgänger anzutreffen, nur wir. Vor den Häusern liegt Rasen, der offensichtlich von den Anwohnern gepflegt wird, weiter oben geht es dann am Waldrand entlang. In eben diesem Rasen wachsen verschiedene Schnittlauch-Gruppen (Büsche? Stöcke?) und die hole ich mir jeweils.
Frühjahr-Feeling! Reiselust! Tatendrang! Wir sind Menschen, die einen gewissen Druck spüren müssen um etwas erledigt zu kriegen. Der (hypothetische, Corona sei Dank) Abreisemoment liegt jetzt in unserem Gesichtsfeld: Anfang April. Wir befinden uns seit Samstag im chômage, der Kanal ist für Wartung- und Reinigungsarbeiten geschlossen; die gesamte Navigation ist für 4 Wochen eingestellt. Am 29. März könnten wir also, theoretisch, ablegen und dann tschüss Chaumont!





Jetzt wollen wir einiges, das in unserem winterlichen Halbschlaf nicht erledigt wurde, unterbringen: Zahnarzt, medizinische Check-ups, Frisör, Elektriker- und Malerarbeiten, Frühjahrsputz, innen und aussen. Dazu für mindestens 6 Monate Hundefutter und -Snacks bestellen, Weinlager auffüllen, Dinkelmehl bunkern, Lieblingskaffee einlagern, undundund. Dazu Sommerkleider checken; Ist gerade genug da, um auch mal 2 Wochen nicht waschen zu müssen? Genug Superleichtes um die Hitzetage luftig zu überstehen. Hunde-Impfungen? Vorrat an Zeckenmittel? Sonnenschutz für uns? In der Bordapotheke alles ok?
Sobald mit der Checkliste begonnen wird, kommen uns immer noch mehr To do – Punkte in den Sinn. Die Deckkiste soll ausgemistet werden, da hat es bestimmt Dinge drin, die einfach so schnell weggeräumt wurden und in den Tiefen dieser Box vergessen gegangen sind. Die Schränke und Schubladen müssen gesichtet werden, die Regale ebenso. In der Küche bin ich schon durch. An Bord ist Platz wertvoll; alles was seinen Nutzen ein Jahr lang nicht bewiesen hat, fliegt raus. Ich bin da strenger als mein Mann, das hat durchaus Konfliktpotenzial, bietet aber auch die Gelegenheit grosszügig und nachsichtig zu sein. Man (frau) muss ja nicht gleich päpstlicher sein als der Papst, und ohne Konsens und Humor geht es nicht in einer Beziehung.
Ich habe gerne etwas Luft in Schubladen und Regalen, mein Mann umgibt sich gerne mit Erinnerungsstücken und es stört ihn auch nicht, wenn das Zeug Staub ansetzt. Ein goldener Mittelweg muss immer wieder gefunden werden. Viel Normalität und Alltägliches, auch an Bord eines Hausboots!
Auf dem Esstisch liegen nun wieder die Kanalführer und der Guide du Plaisancier, ein sehr nützlicher Führer, der alle Häfen und Bootswerkstätten von Frankreichs Binnengewässern aufführt. Meine Excel-Tabelle für die Berechnung der Fahretappen, Pausen, zu bewältigende Schleusen und Kilometer befindet sich nun wieder als Verknüpfung auf dem Desktop. Unsere Wunschroute steht so la la fest, es fehlen uns jedoch noch genaue Infos über die tatsächlichen Kanalöffnungen, respektive Sperrungen. Deshalb liegt der Akzent eher auf WUNSCH denn auf Route! Wie immer.

Es kribbelt ungemein; im Moment dröhnt der Kärcher auf dem Kabinendach, und das Wasser läuft nur so die Scheiben runter. Eben kam die Briefträgerin und blieb auf respektvoller Distanz, sie wollte anscheinend keine Dusche abbekommen. Er fange mal ganz oben an, meinte heute Morgen mein Mann. Nur ein, zwei Stunden. Ich weiss genau, dass er, einmal begonnen, fast nicht mehr aufhören kann. Nur noch hier, und dann das auch noch, tja, wenn ich schon bis hierher gekommen bin, kann ich ja auch gerade fertig machen. Da wir uns einen mit Bäumen bestandenen Platz ausgesucht hatten, und die Birken den ganzen Herbst und Winter über uns mit Samen, Blättern und Ästchen bestreut hatten, ist das Boot nun wirklich schmutzig und hat eine gründliche Reinigung bitter nötig. Ich frage mich nur, ob er die Fenster vielleicht nach dem kärchern hätte putzen sollen?
Egal, ich muss jetzt auch wieder, nicht dass ihr meinen könntet, alles bleibt dem Mann an Bord überlassen!
Wie überaus und rundum erfreulich!
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