Eine anstrengende Zeit

Uff, die letzten Tage waren anstrengend und ich mach mir langsam echte Sorgen um die mentale Gesundheit der Menschen. Was in den USA abläuft verfolge ich seit geraumer Zeit, eigentlich seit sie diesen neuen Kultführer haben. Nun kommen noch die ver(w)irrten, leidenschaftlich die Freiheit liebenden aber tief misstrauischen und gegen alles und jedes Kämpfenden in Europa dazu (nicht nur hier, ich weiss!).

Das alles macht mich müde und ich verstehe da wohl etwas nicht ganz!

Mit dieser elenden Virengeschichte scheinen wir als Gesellschaft irgendwie an unsere Grenzen gekommen zu sein. Oder anders gesagt, Corona bringt unsere persönlichen und gesellschaftlichen Illusionen zu Tage. Wie sonst geraten nicht Wenige an ihre ertragbare Limite?

Wir, als Gesellschaft, als Kollektiv, halten es offenbar kaum aus, nicht genau zu wissen, wie es weiter geht und für wie lange. Wir möchten, dass man uns klipp und klar sagt was Sache ist, wie lange es dauert und eigentlich möchten wir am Liebsten hören, dass das alles nicht schlimm ist und wir uns bloss nicht in unserem täglichen Leben gestört fühlen sollen. Die Wissenschafter sollen sich gefälligst alle einig sein und die Politik soll Direktiven herausgeben, welche uns logisch erscheinen und uns persönlich nicht betreffen sollen. Wir haben Mühe damit, nicht aus vollen Rohren feiern und unbeschwert Essen gehen zu können, nicht einfach spontan irgendwohin an den Strand fliegen zu dürfen, nicht ohne Masken in Läden einzukaufen zu können. Die fehlenden Grossanlässe in Sport und Kultur reissen ein grosses Freizeitloch, für viele eine Katastrophe. Wir fühlen uns gestört und ausgebremst und können nicht damit umgehen, dass das Problem möglicherweise nicht einfach so weggeht.

Was ist mit uns geschehen, dass wir uns in unserer Freiheit eingeschränkt fühlen, wenn es mal vorübergehend ratsam erscheint, ein paar Monate lang auf Fun und Games zu verzichten? Können wir so wenig mit uns selbst anfangen, dass wir uns ständig mit irgendwelchen Aktivitäten zudröhnen müssen?

Was ist mit uns geschehen, dass – obwohl es uns doch, relativ gesehen, immer noch gut geht – so viele derart wütend und misstrauisch werden, sich sogar in fantastische Behauptungen versteigen, alle Vernunft hinter sich lassend, nur damit ihr Unbehagen einen Namen kriegt? Alle die … bitte beliebiges einsetzen… sind schuld, lügen, manipulieren und bedrohen. Nur sie selber, ihre Gleichgesinnten oder auch ganz Andersgesinnten, egal, Hauptsache sie marschieren in dieselbe Richtung mit, wissen genau, was da gespielt wird, haben den Durchblick und kennen die Feinde, nennen sie Gates, Cloud, die Presse, die Regierungen, was auch immer. Nur sie selber sind die Wissenden, Erhabenen, die Warner vor dem Bösen und all die anderen kapieren es einfach nicht und müssen belehrt und beschimpft werden!

Ich habe einmal kurz nicht hingeguckt und finde mich in einer Welt wieder, die ich nicht mehr kenne; habe irgendwie das Gefühl, ich sei in eine Art neues Mittelalter zurück katapultiert worden. Die Menschen sind auf Hexenjagd und Suche nach Sündenböcken, hassen aus vollem Herzen und fühlen sich dabei noch gut und überlegen. Was ist geschehen? Hat dieses Virus ganz einfach die dünne Decke von Vernunft, Zusammenhalt und Konsens weggerissen und zu Tage kommt die angsterfüllte Fratze des Menschen?

Gerade gestern stand hier am Boot so jemand, eine ältere Frau. Wir hatten ursprünglich mit ihrem Mann geplaudert, der den Auftrag hat, einen Film über die Haute-Marne zu drehen und hier im Hafen eine filmwürdige Szenerie ausgemacht hatte. Sie kam etwas später dazu und ergoss ihren ganzen Frust und Ärger innert Minuten über uns aus. Für diese Frau lügen alle, die nicht ihrer Meinung sind. Die Wut pulsierte förmlich aus ihr heraus. Ihre faltigen Wangen schwangen beim Kopfschütteln drohend hin und her und vor lauter Abscheu verdrehte sie die Augen, als sie realisierte, dass wir nicht mit ihr einig gehen würden. Lauthals verkündete sie, sie kenne tausende von Leuten und kein einziger sei krank geworden. Sie verstummte beleidigt, als wir entgegenhielten, wir würden zwar nicht so viele kennen und trotzdem hätten wir Fälle in unserem Bekanntenkreis, sogar ganz Schlimme. Beleidigt stapfte sie von dannen.

Ich verstehe das nicht, woher kommen diese heftigen Emotionen? Vom Kontrollverlust? Enttäuschung? Verlust unserer «sicheren» und überblickbaren Welt?

Autor: suzyintheflow

Of Swiss origin, living in France on a houseboat with husband and two dogs. Intends to travel all over the navigable waterways of Europe in the years to come. No specific plans but open to any adventure and curious about the people and the places waiting to be met!

12 Kommentare zu „Eine anstrengende Zeit“

  1. Liebe Suzy,
    Du hast sehr gut beschrieben, was mich auch umtreibt.
    Ich fürchte, Corona ist nur die Spitze des Eisbergs der Dinge, die uns im Grunde immer noch sehr langsamen Menschen überfordern. Die immer schneller verlaufende Technologieentwicklung, die Folgen des Klimawandels, die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Selbstbestimmung und der Unfähigkeit, diese so zu gestalten, dass die Selbstbestimmung der Anderen dabei nicht verletzt wird.
    Das kumuliert alles in diesem Jahr 2020 ohne Möglichkeit zum Ausweichen, weil die ganze Welt in der (vermeintlichen) Geiselhaft dieses Virus steckt.
    Dazu sind wir durch 75 Jahre relativen Frieden und Wohlstandsmehrung verwöhnte Kinder! Zurzeit benehmen sich jedenfalls immer mehr Menschen so. Jahrzehntelang wurde uns Multitasking als wünschenswert eingebläut, und nun stellen wir fest, dass wir bei immer mehr Krisen, die unser Leben bedrohen, dazu nicht in der Lage sind.
    Lass uns hoffen und beten, dass die Vernunft letztlich die Oberhand behält.
    Trotz all dieser schweren Gedanken wünsche ich dir ein schönes Wochenende. Was macht denn der Wasserstand eigentlich, könnt ihr bald wieder auf Tour gehen?
    Liebe Grüße, Anja

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    1. Leider ist dein Kommentar im Spam gelandet und ich wurde erst heute darauf aufmerksam! Du hast recht, wir sind alle gefordert und überfordert, viele haben eine unterschwellige Angst und wissen nicht wohin damit. Bei manchen äussert sich dies in dieser Aufgebrachtheit und Wut. Ich hoffe, das beruhigt sich wieder. Nein, wir sind immer noch blockiert und es regnet einfach nicht. Es wird zwar herbstlich und in der Nacht recht kühl, aber kein Regen weit und breit. Leider. Liebe Grüsse, Suzy

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  2. Ist mir alles genauso unverständlich. Ich war gestern nahe der großen Demo in Berlin, mir das mal anschauen. Bin aber auch nicht schlauer geworden, sondern konnte teilweise nur Kopf schütteln

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    1. Ich habe mir ein paar Ausschnitte von Online- Berichten angeschaut; diese Menschen finden offenbar einfach eine Befriedigung in der Äusserung von Wut, Hass und Frustration. Die können sich ja nicht mal genau ausdrücken, geben einfach irgendwelche Plattitüden von sich. Hauptsache dagegen, egal was.

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  3. Liebe Suzy
    Ich bin völlig deiner Meinung und leider habe ich auch keine Antwort auf deine am Schluss gestellten Fragen. Anhänger von Verschwörungstheorien und konsequente Politik- und Gesellschaftsgegner gibt es ja schon lange, aber mir scheint, diese Kreise bekommen beachtlichen Zulauf – und das ist meines Erachtens mehr als bedenklich.
    Schöns Grüessli
    Ruedi

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  4. Ich kenne auch Menschen, die sehr krank waren und sogar beatmet werden mussten. Ich habe absolut kein Verständnis für diese Gegner der Maßnahmen gegen Covid 19 und die ganzen Schwurbler. Nun machen sie auch noch gemeinsame Sache mit den Rechten. Ich bin ehrlich gesagt ziemlich empört. Haben sie doch tatsächlich gestern den Reichstag mit der deutschen Reichsfahne gestürmt. Wo ist deren Hirn, falls es denn mal tatsächlich vorhanden war.

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  5. Ein schöner Beitrag, der den Unverstand vieler schweigender Menschen zusammenfasst.
    Deine Fragen würde ich folgendermaßen beantworten:
    „… woher kommen diese heftigen Emotionen?“
    vom Kontrollverlust? ja – Wir sind eben nicht die Allwissenden, die sich die Welt zum Untertanen gemacht haben und jede Reaktion beherrschen.
    Enttäuschung? ja – von Denjenigen, an die wir per „Wahl“ unsere eigene Verantwortung abtreten, werden wir belogen, betrogen und hintergangen. In Momenten der Reflektion in solchen „Krisenzeiten wird uns das deutlich.
    Verlust unserer «sicheren» und überblickbaren Welt? ja – was sowieso eine Illusion war und ist.
    Meine Erklärung ist eine ganz einfache: 99,999% der Menschen sind nicht bereit die volle Verantwortung für ihr Tun und Handeln zu übernehmen und suchen im Außen (bei den Anderen) einen Schuldigen um sich selbst aus der Verantwortung gegenüber dem größeren Ganzen entlassen zu können.
    Der gesunde Menschenverstand, die Fähigkeit die Grenzen des eigenen Einflusses erkennen zu können und die Demut gegenüber dem Nicht-Erklärbaren (man könne auch sagen; der Schöpfung) gerät dabei unter die Räder.

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    1. Das ist wohl wahr; viele erwarten ihr Glück und Erfolg von außen und sie selbst wollen die Anstrengungen und die Verantwortung für unsere Welt möglichst gering halten. Angst macht mir einfach, dass diese Menschen auf die unglaublichsten Theorien und Behauptungen reinfallen. Ich dachte immer, so dumm könne man ja nicht sein. 😥

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