Die ersten 10 Minuten der ersten Fahrt im Jahr fühlen sich stets ganz speziell an. Etwas fremd und trotzdem bekannt. Und dann kickt es ein: Dieses Gefühl von Unterwegssein und gleichzeitig so was von daheim! Alles fühlt sich richtig an, das dumpfe Blubbern des Motors, von oben fast nicht hörbar, das Plätschern des Kühlwassers, das Rauschen der Bugwelle, der Wind um die Ohren, die Aussicht vom Wasser aus, und dann der erste Kaffee auf Fahrt! Es fühlt sich richtig an, die Hunde haben sich nach der ersten Aufregung längst hingelegt, jeder auf seinem Lieblingsplatz von letztem Jahr. Back to normal!
Von Auxonne aus fahren wir südwärts. Wir wollten versuchen unseren Schwarzwassertank in St-Jean-de-Losne zu leeren. Gleich nach Auxonne geht es in eine kurze Dérivation, ein Kanalstück, das die Schwelle auf der Saône umgeht. Der Fluss macht hier einen Bogen, der Kanal geht geradeaus auf die Schleuse zu, die uns runter auf das neue Niveau des Flusses bringt. Die Einfahrt in den Kanal verfügt über eine alte Porte de Garde, eine Vorrichtung, die es erlaubt, den Fluss bei extremen Bedingungen zu stauen. Wiederum, wie jedes Jahr, sind wir nicht sicher ob wir mit geöffnetem Bimini durchpassen. Klar doch! Wir passieren die engen Stellen und sehen vor uns den knapp 2 Km langen Kanal. Ich übernehme das Steuer, gleich werde ich meine erste Schleuse allein am Ruder bewältigen. Bisher kam ich ja kaum zum Fahren, wegen „dem Knie“, das Knie, das uns seit gefühlten Ewigkeiten beschäftigt. Das Knie ist repariert und nun fahren wir beide, fifty-fifty, that’s the deal. Unsere neuen Intercom-Geräte weihen wir auch gleich ein. Fertig mit rum schreien! Nun flüstern wir.
Als alte Seglerin mit Pinne, bin ich offensichtlich behindert. Sobald ich mit dem Bauchgefühl steuere, drehe ich in die falsche Richtung; die Pinne nach steuerbord, das Boot sollte nach backbord drehen, logisch. Mit einem Steuerrad funktioniert das nicht. Kaum zu glauben, dass ich diese „Erinnerung“ immer noch in den Muskeln habe! Nach zig Jahren! Ich muss vorläufig mitdenken zum Steuern und erinnere mich an den Spruch, den jeder Mietkapitän mit auf den Weg erhält: es ist wie Autofahren. Also komm schon, Suzy, stell dich nicht so blöd an!
Wir schleusen und sind beide zufrieden, sowohl die Steuerfrau als auch der Mann an den Leinen machen die Sache gut; zugegeben, die Bedingungen sind zahm, die Schleuse eine der langsamsten die ich kenne, kein Wind, gute und viele Poller. Eine Anfängerschleuse. Danach, freie Fahrt bis St-Jean-de-Losne.
Die Fahrt ist gemächlich, wir zirkeln um die vielen Fischer herum, die entweder zurück grüssen und auch winken oder halt nicht, Brummköpfe. Es ist Sonntag und auch die Fischer dürfen wieder raus, haben wahrscheinlich einen Nachholbedarf an frischem Flussfisch. Sie stehen mit ihren Angelrutenbatterien am Ufer, düsen auf gut motorisierten Dinghis herum oder, die mag ich besonders, hocken in ihren drolligen Gummireifen und sehen aus wie überdimensionierte Babies in einem Schwimmring.
Wir haben praktisch keinen Gegenverkehr, sehen einen Segler am Ufer und eine Motorjacht vor Anker. Das ist alles. Über 2 Stunden sind wir praktisch alleine, nur mit Kormoranen und Schwänen. Dafür ist der Kai in St-Jean voll! Mist. Wir machen kehrt und probieren es am Schwimmsteg beim Campingplatz. Wir hatten stets gemeint, der gehöre mit zum Camping, er ist jedoch öffentlich. Vom Fluss aus sieht er irgendwie nicht so attraktiv aus, angelegt aber ganz anders. Er ist ziemlich neu und gut im Schuss. Wir haben sogar im Campingrestaurant (erster Restaurantbesuch seit Monaten!) sehr gut gegessen und die Nacht war ruhig, mal abgesehen von den auf- und ab flammenden Froschkonzerten. Aber wir beklagen uns nie über Naturtöne, nicht einmal dann, wenn sie uns den Schlaf rauben 😉
Die Hunde sind begeistert und ganz wieder im Reisemodus. Sie geniessen fremde Spazierwege, neue Geruchsmischungen, hopsen begeistert ins und vom Boot. Es geht raus auf Deck, runter in die Kühle, sie liegen flach und im Traumland wandelnd auf dem harten Stahlboden, gucken von oben Fische oder vertilgen begeistert einen Kauknochen oder Pansen. Die Welt ist in Ordnung, und wie! Hunde glücklich, Menschen glücklich.
Das sieht sehr schön aus und durch die Beschreibung teilt sich erstaunlich viel vom Gefühlten mit.
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Danke, das höre ich gern! Reisen ist für mich Fühlen, Schmecken, Hören. Wenn das rüberkommt, bin ich glücklich!
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Endlich wieder unterwegs ! Das dürfen Sie so wohl geniessen, wie geschrieben Menschen glücklich, Hunde glücklich. Sind Sie auf dem Weg nach Elsass ? Gute Fahrt !
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