Die Sonne scheint, die Vögel singen. Die Enten ruhen auf einem Seitensteg und erzählen sich leise schnatternd die letzten Neuigkeiten, die Möven draussen auf der Saône werben laut um ein mitten im Fluss sitzendes Weibchen. In der Ferne höre ich zwei, drei Kuckucks rufen (Mist, ich ertappe mich immer wieder beim zählen der Rufe!).
Im Hafen herrscht beschauliche Betriebsamkeit; da pinselt einer am Boot herum, auf einem Deck haben zwei eine Diskussion – mit 3 Meter Abstand, dort flattert fröhlich Wäsche in der leichten Brise und drüben kommt ein Paar mit voll beladenem Trolley zurück vom Einkauf. Der Capitaine ist am Post verteilen, unsere Nachbarin giesst die Blumen der in England blockierten Freunde. Ab und an springt ein grosser Fisch und fällt mit lautem Platschen zurück ins Wasser. Die Schwäne ziehen ihre Bettelrunde, äugen durch geöffnete Türen und Fenster hinein und die Gänse, etwas weiter weg, regen sich über irgend etwas auf. Das carillon, das Glockenspiel, der nahen Kirche Notre-Dame erklingt. Zwei Uhr.
Wäre da nicht die unsichtbare Bedrohung, die fehlenden Spaziergänger und der weggefallene Bootsverkehr auf der Saône, fühlte ich mich im Paradies. Auf dem Pont de France, der in die Stadt hineinführende Brücke, hat es fast keinen Verkehr, weiter hinten, auf der Eisenbahnbrücke, ist seit ich hier draussen sitze noch kein einziger Zug gefahren und am Himmel sehe ich nicht einen Kondensstreifen. Ruhe pur.
Zu meinen Füssen liegt Merry, leise schnarchend. Ich höre, wie sich mein Mann unten noch einen Kaffee herauslässt. Die Fragen der Nachbarn sind jetzt ausdiskutiert und die Sache offenbar geregelt. Ich spüre, die Sonne fängt an das Bimini aufzuheizen, mir ist am Kopf wärmer als an den Füssen! Ich höre jemand auf englisch reden, sehe ihn aber nicht. Die Wäsche der Nachbarin ist schon getrocknet, sie nimmt sie ab und hängt die nächste Wäscheladung auf. Zuvor waren es die dunklen Farben, jetzt die hellen. Mein Buch liegt neben mir und wartet darauf, fertig gelesen zu werden. Eine WhatsApp-Nachricht piepst (ich meine stets es hiesse‘ whats up‘, haha, das würde auch passen), gute Wünsche zum Wochenende. Schon wieder bald Ende Woche? Es war doch erst gerade Montag! Wo geht nur die Zeit hin. Die Tage verlaufen ineinander, einer ist gleich wie der andere. Unsere Welt ist klein geworden, aber auch kleine Welten sind schön!