Gerade habe ich einen sehr schön und eindrücklich geschriebenen Artikel von Cristina Comencini, einer italienischen Schriftstellerin, gelesen. Sie beschreibt da eindringlich, wie sich die aktuelle Situation in Italien auf die Menschen auswirkt.
Man muss sich das vorstellen; da sind auf einmal sämtliche Familienmitglieder zeitgleich zuhause, über lange Wochen, Ehepartner, Jugendliche und Kinder. Vielleicht ist auch niemand da und man ist ganz auf sich alleine gestellt.
Auf jeden Fall gibt es kaum die gewohnten Aktivitäten. Die Kinder gehen nicht zur Schule, nicht ins Ballet, nicht zum Fussball oder Judo. Sie können nicht einfach raus geschickt werden zum austoben, auch zu Freunden zum spielen geht wohl eher nicht. Jugendliche sind an den mannigfaltigen Kontakten mit Gleichaltrigen gehindert, Paare sehen sich so viele Tagesstunden wie sonst selten. Freunde treffen, Theater, Kino, Konzerte, Club und Restaurantbesuche? Nada. Nicht mal shoppen kann man. Es sind ja bloss Supermärkte und Apotheken geöffnet. Ausser Online kaufen geht nix und da geht wahrscheinlich die Post ab. In den eigenen vier Wänden bleiben also. Filme werden reingezogen und Kontakte über die verschiedenen Medien gepflegt. Aber jetzt, da man dies darf und viel Zeit dafür hätte, macht dies wahrscheinlich gar nicht wochenlang Spass!
Zeit, mal den Kühlschrank auszuräumen und reinigen, endlich einmal dieses Bord an die Wand montieren und jenes Kabel zu flicken. Oder wie eine Nonna sagte, Sugo einkochen für die nächsten 6 Monate. Also los und auch kreativ werden! Bloss, es fehlt der richtige Leim, oder die Farbe. Pech, der Do-it ist geschlossen. Also raus und Sport machen, bloss Abstand halten mit den anderen Menschen. Den Pietro kreuzen beim Laufen und atemlos zurufen, ich ruf dich dann an. Stehen bleiben verboten, zusammen laufen besser nicht. Mitmenschlich sein und für die betagte Nachbarin gleich mit einkaufen, die Einkaufstasche vor die Tür stellen, klingeln und sofort rein in die eigene Wohnung, zurück in die völlige Isolation.
Ich kann mir gut vorstellen, dass das alles mit der Zeit an den Nerven nagt. Wir sind es einfach nicht mehr gewöhnt, uns nicht mehr ablenken lassen zu können. Unserem hohen Lebenstempo wird durch äussere Bedingungen plötzlich der „Strom“ gekappt und wir fallen auf uns zurück. Nicht jeder hält dies wohl gut durch.
Wichtig scheint mir, dass wir durch diese auferzwungene Pause etwas lernen können. In Italien singen sie von den Balkonen miteinander! Man stelle sich vor, Leute die sich sonst gerade mal grüssen, stellen sich auf die Balkone und Terrassen und singen. Ich frage mich, ob da währen dieser Abkapselung nicht doch in uns tief drinnen etwas Gutes abläuft. Die Erkenntnis zum Beispiel, dass wir uns selbst vor lauter Arbeit, Leistung und Perfektion verloren haben, wir unsere wirklichen Bedürfnisse gar nicht mehr kennen. Nicht mehr wissen wie es geht, zu leben und zusammen zu leben. Lebenweisen, die unsere Eltern und Grosseltern noch gekannt haben, sind uns fremd geworden. Zusammen sitzen und etwas erzählen, mit allen am Tisch ein Spiel spielen, oder auch mal alleine in einer Ecke zu sitzen, in uns Selbst versunken und etwas wursteln, gemeinsam kochen und essen, ein Buch lesen oder hören… Dinge welche nichts oder fast nichts kosten, dafür viel Befriedigung bringen und glücklich machen.
Ich hoffe, wir als Gesellschaft nehmen von dieser Zeit etwas mit, lernen etwas dazu und vergessen diese Erfahrung nicht gleich wieder, sobald-wenn-falls uns der normale Irrsinn wieder hat. Denn von mir aus gesehen ist es keine Frage, dass auch wir, wie die Italiener, massiv eingeschränkt werden; die Frage ist nicht ob der Lock Down kommt, sondern wann.
Allen gute Gesundheit, passt auf euch und eure Nächsten auf!
Danke für diesen super Beitrag, liebe Suzy. Hier in Bosco erlebe ich auch diese Rückkehr ins „Hier und Jetzt“ mit all den Erlebniswelten, die im Rummel untergegangen waren….
Euch beiden auch alles Liebe und Gute
Sylvia
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Bleib sicher und geborgen in deinem wundervollen Refugium! Liebe Grüsse, S&C
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