Josephine

Früher hatte ich ab und an noch unbändige Lust grosse Feste zu veranstalten. Dieses Virus habe ich von meiner Mutter, eindeutig! Die mit Abstand grösste Sylvester-Party
organisierten wir während unseres Auslandaufenthaltes in Indonesien. Damals wohnten wir in Malang, auf Ostjava. Das Leben da war gut und ich liebte es. Aber in Bezug auf Freizeitgestaltung gab es nicht viele Angebote, Internet und mobil phones waren noch in weiter Ferne. Darum war das gesellschaftliche Leben umso aktiver. In der Expat Community wurde ein Newsletter rausgegeben, wir hatten monatliche ausgelassene Social Evenings mit mobiler Bar, die wir jedes mal bei anderen Gastgebern aufstellten. Fast alle Expats waren aktiv bei den Hash House Harriers, und und und. Wir waren keine 200 Ausländer, in einer Stadt von 500’000 Einwohnern und nur einzelne Touristen. Eine spannende Zeit, welche ich in vollen Zügen genoss.

Jener Sylvester sollte ein toller Abend mit italienischem Buffett werden, viel ‚exotischer‘ ging es nicht in diesem muslimischen Land. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie viele Feiernde wir schlussendlich in jener Nacht waren. Aber Haus, Terrasse und Garten waren voller Menschen verschiedenster Nationen. Die Beschaffung von Bier war in Malang kein Problem, die Versorgung mit Wein hingegen schon. Ein britischer Freund musste kurz vor Weihnachten noch nach Bali und anerbot sich, den Wein im Jeep mitzubringen. Freunde aus Jakarta brachten Käse und andere italienische Spezialitäten mit. In unserer Küche werkelten eigene und geliehene Hausangestellte und stellten frische Pasta für zig Leute her. Man hatten den Eindruck, sämtliche Besenstiele von Malang hingen kreuz und quer durch die Küche, behängt mit frischen Nudeln. Wir kochten was das Zeug hielt. Aus mehreren andern Häusern wurde Geschirr heran gekarrt. Gärtner und Chauffeure anderer Expats hängten die Deko auf, stellten die mitgebrachten Terrassenmöbel auf und organisierten Parkmöglichkeiten. Das ganze Organisieren und Orchestrieren fügte sich am Schluss wundersam zu einem Ganzen zusammen.

Der „Tatort“ an einem friedlicheren Abend, mit Feriengast Kakadu Jakob
1992_Pangung 17
Haus und Terrasse vom Innenhof-Garten aus, auf dem Ast Jakob, der Ferien-Kakadu, der Coca Cola über alles liebte!

Die Gäste trudelten fröhlich ein. Der grosse Wohnzimmerbereich war ausgeräumt und bis auf den Buffett-Tisch frei von Mobiliar. Am Schluss boten wir drei Gänge an, ein Buffett mit Antipasti, eines mit Hauptgängen und das letzte mit allerlei Desserts. Überall hingen bunte Girlanden und an der Decka schwebten massenhaft mit Helium gefüllte Ballons – welche, oh Schreck, im Laufe des Abends von den holländischen Studenten angezündet wurden. Ich dachte, uns fliegt das Dach weg. Die Leute hatten auf der langen, überdachten Terrasse und im Garten jede Menge Sitzgelegenheiten und innen wurde getanzt. Es war eine fantastische Stimmung. Die mitarbeitenden indonesischen Angestellten dachten wohl, wir orang putih (die Weissen) seien völlig durchgeknallt. Mitternachts wollte eine Österreicherin unbedingt zum Donauwalzer tanzen. Den Walzer kriegte sie, schräg begleitet von den Studenten mit ihren Tröten; wir fanden es zum totlachen. Als Gastgeber waren wir zwei ständig auf Achse und in unserem Element. Alle hatten es gut und genossen es bis in die Morgenstunden  hinein.

Als wir dann am 1. Januar endlich aus dem Bett krochen und aus dem Schlafzimmertrakt in den Wohnbereich kamen, traute wir unseren Augen nicht. Seelenruhig war Warnun, unser Mann für Alles, daran, das Wohnzimmer mit dem Wasserschlauch durchzuspülen. Eigentlich konnten nicht viel passieren; Die alten holländischen Kolonialhäuser haben fast alle Terrazzoböden. Aber ich erschrak doch ein wenig und sehe ihn noch heute, mit hochgekrempelten Hosen im völlig überschwemmten Living stehen und mit dem grössten Besen den er finden konnte, den ganzen Unrat, Servietten, Girlanden, Überreste der Ballone, schwungvoll durch die breiten Verandatüren hinausfegen. Wir lachen heute noch über unseren Schreck damals.

Ihr fragt euch jetzt bestimmt, wo denn Josephine bleibt!

Nun, sie war die ganze turbulente Nacht anwesend. Wie ein blinder Passagier, versteckt auf der Balustrade zwischen zwei eingetopften Farnen, glitt sie mit uns hinüber ins neue Jahr. In ihrem ausgepolsterten, knallroten Plastiksieb (in Herzform! Indonesier lieben solchen Kitsch) brütete sie ihre Eier aus und rührte sich die ganze Zeit nicht von der Stelle. Niemand hatte sie bemerkt und wir hatten vergessen, sie an einen angenehmeren Platz zu bringen!

Wir hatten zwei Zwerghuhn-Paare. Romeo und Julia, beide schwarz, und Napoleon und Josephine, beide weiss.  Josephinchen war das zutraulichste der vier Hühnchen. Sie kam oft ins Haus herein, begutachtete alles neugierig, pickte ein paar Brosamen, um dann wieder, gluck, gluck, raus zu spazieren. Sie insistierte, ihre Eier ausschliesslich zwischen die Kissen des Sofas auf der Terrasse zu legen. Wir hatten uns angewöhnt, die Kissen vor dem Absitzen kurz zu kontrollieren um nicht etwa ein Ei zu zerdrücken. Die entdeckten Eier sammelten wir ein und gaben ihr sie, sobald ein Dutzend zusammen war, zum ausbrüten.

Am zweiten Neujahrstag schlüpften die Küken. Diese gelben Zwergküken waren die süssesten Daunenbällchen, die man sich nur vorstellen kann! Ein jedes wie zwei zusammengefügte Pompons mit Schnäbelchen und Füsschen. Fortan spazierte Josephinchen mit ihrer ganzen Schar stolz und fürsorglich in Haus und Garten herum und weder sie noch die Küken hatten einen Schaden von der lärmigen Nacht davongetragen. Ich vermisse dieses aussergewöhnliche Hühnchen heute noch manchmal. Hühner sind ganz und gar nicht dumm und können absolut individuelle Charakteren haben. Josephine war zwar klein, aber eine grosse Persönlichkeit!

♦ ♦ ♦

Das diesjährige Neujahrsfest wird bedeutend bescheidener ausfallen als damals! Wir haben ein Dinner for two. Ist auch schön!

Eine wunderschöne Zeit wünschen wir und


Ein glückliches Neues Jahr      Selamat Tahun Baru

    Happy New Year


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Beitragsbild:

Stadthaus mit dem Lotusteich am Tugu-Platz in Malang, Ostjava

 

Autor: suzyintheflow

Of Swiss origin, living in France on a houseboat with husband and two dogs. Intends to travel all over the navigable waterways of Europe in the years to come. No specific plans but open to any adventure and curious about the people and the places waiting to be met!

4 Kommentare zu „Josephine“

  1. Hallo Suzy,
    eine dolle Geschichte. 🙂 Besonders die erstklassiken Aufräumarbeiten gefallen mir. Bei mir glaube ich , hätte mein Nachbar unter mir allerdings ein Problem mit.
    ich wünsche dir , euch ebenfalls ein wunderbares, neues Jahr.
    Und ich freue mich auf deine weiteren tollen Beiträge. Danke dafür.
    Liebe Grüße, Peter

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  2. Huhn in der Wohnung – kenn ich von meiner Schwester. Bei ihr ist es Liesbeth die regelmäßig zu Besuch kommt. Aber dass sie in der Wohnung Eier legt würde gerade noch fehlen 😂

    Gefällt 1 Person

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