Eine Armbanduhr trug ich vor gefühlten 50 Jahren für das letzte Mal. Seither hielten mich stets die verschiedensten Elektro- oder Elektronikgeräte auf Kurs. Ich hangle mich vom Gerät zu Gerät, überall sehe ich die Uhrzeit auf dem Display. Das genügt mir völlig. Meist haben wir ja auch nicht gedrängte Termineund ich gucke bloss zur allgemeinen Orientierung auf eine Uhr. Deshalb schiene mir eine eigenen Armbanduhr übertrieben und ich bin froh darum, mag ich es doch gar nicht, etwas um die Handgelenke zu haben. Vielleicht mit Ausnahme von langen, kuschligen Pullover-Ärmeln.
In der gewohnten Umgebung hier auf dem Boot ging das alles wunderbar, ich wusste zwar meist nicht genau, welchen Tag wir haben aber immerhin die Uhrzeit. Als wir vom Boot ins Hobbit-Häuschen umzogen änderte sich das schlagartig. Kein einziges Elektrogerät mit Uhr, nur mein Handy und das ist meist irgendwo und nicht gerade da, wo ich mit der Uhrzeit gebrieft werden wollte. Es war am bequemsten, jemanden zu fragen der tatsächlich noch eine Uhr am Handgelenk trägt. Von der Spezies gab es im HH (Hobbit-Häuschen) nur ein Exemplar, meinen Göttergatten. Der aber fand das nach ein, zwei Wochen ausserordentlich mühsam, mehrmals am Tag nach der Uhrzeit gefragt zu werden und legte mir mit netten Worten – Räusper – ans Herz, doch selber eine Uhr anzuschaffen.
Das kommt nun gar nicht in Frage. Wäre auch raus geschmissenes Geld, da eine Armbanduhr von mir nach ein paar Tagen irgendwo abgelegt würde und fortan ein einsames Leben fristen müsste. Wie gesagt, an mein Handgelenk kommt höchstens weiche Wolle.
Ich nahm Zuflucht zu meinen Telefon. Von diesem weiss ich meist, wo es sich ungefähr rumtreibt, meist gar nicht so weit weg von Mama.
Erst nahm ich gar nicht so richtig wahr, was für seltsame Zufälle nun passierten. Ist schon klar: eine Stunde hat 60 Minuten, ein Tag 24 Stunden. Ergibt 1440 Minuten. Ich gucke vielleicht 4 – 5 Mal am Tag auf das Display um die Uhrzeit zu sehen. Das Display zeigt die digitale Zeit an, also 08.46 oder 17.39. Mein Display zeigte mir aber ausschliesslich Zeiten wie 08.08, 11.11, 16.16 oder 21.21 an. Jedes Mal! Mit ein paar Ausnahmen, Tage- und Wochenlang! Nun bin ich zurück vom HH und wieder auf dem Boot und es geht unverändert so weiter. Heute habe ich genau fünf Mal auf die Zeit geschaut, mal aufs Telefon, mal am Backofen und einmal beim Arzt an der Wand: 07.07, 09.09, 12.12, 15.15 und vorhin 19.19. Das ist mir langsam unheimlich!
„Kann ich nicht statt dessen endlich einmal im Lotto gewinnen?!? “ rufe ich Mann zu. Trockene Antwort: „Müsstest halt vielleicht erst mal damit beginnen einen Schein auszufüllen!“ Na, wo er recht hat, da hat er recht. Ich fürchte nur, wenn ich das tun würde, wäre diese »Glückssträhne« umgehend vorbei. Diese dauert jetzt schon seit Mitte Oktober, bin gespannt wie lange das noch andauert. Etwas seltsam ist es ja schon. Komischerweise vergesse ich das Phänomen immer wieder und bin stets aufs neue überrascht. Ich gucke einfach ohne nachzudenken aufs Handy, etwa um nachzusehen ob ich mich mit dem Hundespaziergang beeilen muss, weil es doch so früh dunkel wird, und peng, schon wieder!
Vielleicht kaufe ich mir doch eine Uhr, eine normale mit Zeigern, eine die ich mir um den Hals hängen kann!
Als blinde Frau kenne ich das Problem überhaupt nicht, da ich die Anzeige am Backofen oder wo auch immer gar nicht erst wahrnehme. Wenn ich die Uhrzeit wissen möchte, muss ich schon gezielt auf meine Uhr schauen. Es gibt Uhren mit Sprachausgabe, sprechende Handys und Tastuhren.
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